14. November 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog
Legalisierung von Cannabis

Legalisierung vs. Entkriminalisierung von Cannabis

Ich kann es heute mal nicht lassen mich zu einer Aktion der Jusos auf Bundesebene zu äußern: www.wirziehensdurch.de

Legalisierung von Cannabis
Logo der “Aktion wir ziehen´s durch” der Jusos in der SPD| Quelle: http://www.jusos.de/kiffen/

Es geht schlicht und einfach um die Legalisierung von Cannabis und der staatlichen Vermarktung durch das “Bremer Modell”. Die Diskussion ist in Bremen und Bremerhaven spätestens seit den Koalitionsverhandlungen zwischen SPD und Bündnis 90/ Die Grünen angekommen. Zeit also sich das Ganze mal näher anzuschauen.

Den Antrag der Jusos findet Ihr hier: Musterantrag Cannabis

Reduziert man den Antragstext, den die Jusos nach dem Willen der Bundesebene in Ihre Gliederungen tragen sollen, auf die wesentlichen Argumente, sind dies folgende:

  • Entkriminalisierung der verantwortungsbewussten Konsumenten
  • Verbraucherschutz durch Qualitätsstandards, Kennzeichnungspflichten sowie staatliche Ausgabestellen
  • Cannabis sei keine Einsteigsdroge
  • Austrocknung des Schwarzmarktes und dadurch besserer Jugendschutz
  • Einsparungen durch weniger Strafverfolgung
  • Einnahmen durch Steuern in den staatlichen Ausgabestellen
  • Einsparungen und Einnahmen könnten in Prävention und Aufklärung investiert werden

Ähnlich wird dies auch im “Bremer Modell” begründet:

Unter Beachtung eines strengen Jugendschutzes wollen wir Möglichkeiten ausloten für wissenschaftliche Modellversuche zur kontrollierten Abgabe und medizinischen Nutzung von Cannabis. Wir unterstützen die Hilfeeinrichtungen bei ihrem Wunsch, Drogenkonsumenten besser gesundheitlich zu schützen, in dem Warnungen insbesondere zum Grad der Verunreinigungen in Bremen beschlagnahmter Drogen veröffentlicht werden. Wir fordern vor diesem Hintergrund auf Bundesebene die Einsetzung einer Expertenkommission, die die aktuelle Drogenpolitik grundlegend überprüft und differenzierte Vorschläge für eine Neuregelung der gesetzlichen Grundlagen macht. Zudem setzen wir uns weiterhin für eine Vereinfachung der Nutzung von Cannabis und Cannabisprodukten zu medizinischen
Zwecken ein. ((Zeilen 32 bis 42, Seite 99: Vereinbarung zur Zusammenarbeit in einer Regierungskoalition für die 19. Wahlperiode der Bremischen Bürgerschaft 2015 – 2019| Koalitionsvereinbarung 2015 – 2019))

Die Diskussion in den Sozialen Medien gehen dabei sehr unterschiedlich mit dem Thema um, es werden sehr unterschiedliche Argumente und Abwegungen ausgetauscht. Ganz eindeutig ist die Stimmungslage für mich nicht.

Ich möchte versuchen die Argumente aus meiner Sicht zu beleuchten.

Entkriminalisierung ja, staatliche Vermarktung nein:

Ja es gibt sie, die bewusst und verantwortungsvoll kiffenden Bürgerinnen und Bürger. Diese werden tabuisiert und kriminalisiert, sicherlich zu Unrecht, wenn man die Zahlen der Todesopfer durch Cannabis und z.B. Alkohol und Tabak vergleicht. Der LD50 Wert von Alkohol liegt auf der “Margin-of-Exposure”-Skala bei 1,2 und hat damit den Topplatz der Tödlichkeit sicher. Die Skala errechnet den Punkt, an dem Überleben und Tod gleich wahrscheinlich sind. Bei Cannabis liegt der Wert bei 119. ((Lachenmeier DW, Rehm J. Comparative risk assessment of alcohol, tobacco, cannabis and other illicit drugs using the margin of exposure approach. Scientific Reports. 2015;5:8126. doi:10.1038/srep08126.| http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4311234/))

Alkohol ist definitiv tödlicher und dennoch als legale Droge leicht erhältlich. Die Kosten für die Gesellschaft auf Grund von Alkoholsucht z.B. im Gesundheitssystem sind hoch. Es wird von volkswirtschaftlichen Kosten von 26,7 Milliarden Euro, allein im Gesundheitswesen von 7,4 Millarden, ausgegangen. ((http://www.drogenbeauftragte.de/drogen-und-sucht/alkohol/alkohol-situation-in-deutschland.html))

Nimmt man diesen Vergleich als Argument, so scheint ein Verbot von Cannabis auf Grund von Schutz der Gesundheit der Bevölkerung wenig sinnvoll.

Legalisierung wirft aber eine Reihe von Risiken auf, die aus meiner Sicht nicht zu unterschätzen sind. Der Charakter einer Einstiegsdroge wird von Jusos verneint mit dem Hinweis, dass der weitere Kontakt zu Drogen durch den Dealer erfolgen würde. Also staatliche Abgabestellen, dann muss der Konsument nicht mehr zum Dealer und die Konvalenz zu anderen Drogen sei nicht gegeben. Das es aber Zusammenhänge zwischen Mischkonsum und dem Konsum von Cannabis gibt, zeigen zahlreiche Studien.

Einige interessante Studien zum Thema sollten zum denken anregen. Der Cannabis Konsum kann zu verminderter Intelligenz führen: Persistent cannabis users show neuropsychological decline from childhood to midlife ((Madeline H. Meier, Avshalom Caspi, Antony Ambler, HonaLee Harrington, Renate Houts, Richard S. E. Keefe, Kay McDonald, Aimee Ward, Richie Poulton, and Terrie E. Moffitt Persistent cannabis users show neuropsychological decline from childhood to midlife “Proceedings of the National Academy of Sciences” PNAS 2012 109 [40] E2657–E2664; published ahead of print August 27, 2012, doi:10.1073/pnas.1206820109| http://www.pnas.org/content/109/40/E2657.abstract)) – Moffit et al (2012) haben in einer Langzeitstudie über mehrere Jahre Kinder und Jugendliche zwischen 8 und 15 Jahren nach ihrem Cannabis Konsum befragt und den die Veränderung des Intelligenzquotienten ermittelt. Das Fazit der Forscher regelmäßiger Konsum senkt den Intelligenzquoitenten. Die Studie war umstritten, da laut anderen Forscher die soziökonomischen Faktoren nicht berücksichtigt wurden. In einer Erwiderung der beteiligten Forscher wurde aber belegt, dass es im Vergleich der Herkunft und des sozialen Standes der Kinder und Jugendlichen keinen merklichen Unterschied im Effekt gab. Kinder aus unteren Schichten waren von dem Effekt sogar weniger betroffen.

Höherer THC Gehalt von Cannabis erhöht die Wahrscheinlichkeit zum Auftreten von Psychosen gerade bei gleichzeitigem geringem Gehalt an Cannabidiol ((Di Forti M, Morgan C, Dazzan P, et al. High-potency cannabis and the risk of psychosis. The British Journal of Psychiatry. 2009;195(6):488-491. doi:10.1192/bjp.bp.109.064220.| http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC2801827/)) (schwach psychoaktives Cannabinoid aus dem weiblichen Hanf Cannabis sativa / indica. Medizinisch wirkt es entkrampfend, entzündungshemmend, angstlösend und gegen Übelkeit. Die antagonistische Wirkung gegenüber THC minimiert deren Effekt auf die Ausbildung von Psychosen.) Der europäische Drogenbericht 2014 zeigt deutlich, dass der Gehalt der auf dem Schwarzmarkt befindlichen Produkte, gestiegen ist. ((http://www.dbdd.de/images/EDR_2014/edr_de.pdf))

Zurück zu den Argumenten, dass staatliche Verkaufsstellen mit entsprechend sauberem, qualitativ höherwertigem Cannabis trockne den Schwarzmarkt aus und liesse ihn leichter kontrollierbar werden. Diese Aussagen zusammen genommen widersprechen sich für mich. Eine höhere Qualität sorgt zwangsläufig zusammen mit Steuern etc. für einen höheren Preis. Konsumenten aus einkommensschwachen Haushalten werden also eher beim Schwarzmarkt bleiben. Durch die Legalisierung wird es eine höhere Nachfrage geben. Der Wegfall der Strafverfolgung, wie gefordert, wird aus meiner Sicht dann den Schwarzmarkt verstärken. Von der Erreichbarkeit der Droge durch Jugendliche will ich gar nicht erst sprechen. Beim Alkohol versagen die staatlich angeordneten Jugendschutzmaßnahmen auch regelmäßig ihr Ziel.

Cannabis als Medikament für Schmerzpatienten ist für mich der einzigste Punkt an dem ich mich mit dem Antrag identifizieren kann. Hierbei ist der Nutzen und das Risiko wissenschaftlich klar umrissen und einschätzbar.

Der Antrag der Jusos geht mir aus dem oben genannten Risikofaktoren nicht weit genug. Ja zur Entkriminalisierung und leichterem Bezug als Medikament für Schmerzpatienten, nein zum staatlichen Verkauf von Cannabis in der geforderten Form. Es gibt kaum zuverlässige Langzeitstudien, aus denen sich die soziökonomischen Gefahren und gesellschaftlichen Kosten ableiten lassen. Der positive Gewinn in Form der von den Jusos prognostizierten 1 bis 2 Millarden Euro durch Steuern und Einsparungen bei der Strafverfolgung stehen unbekannte Kosten im Gesundheitssystem und erwartbare Ausfällen in der Produktivität unseres Landes entgegen. Die Legalisierung als Instrument neoliberaler Steuerpolitik und das Vertrauen in die Eigenverantwortlichkeit der Bürgerinnen und Bürger empfinde ich als einen falschen Weg zum Umgang mit Cannabis. Das ausgestrahlte Signal einer Legalisierung ist eine Verharmlosung der Droge und fördert den Einstieg und den dauerhaften Konsum von Cannabis, dass kann nicht im Sinne einer verantwortlichen Politik für die körperliche Unversehrtheit der Menschen in unserem Land sein.

2 Kommentare

  1. Gut gemachter Artikel. Ich finde es gut, dass es auch mal Sozialdemokraten gibt im Lande Bremen, die nicht jeder Schnapsidee hinterher laufen.

    Vorallem da Sie sich scheinbar ausführlich mit den Hintergründen und Wirkungsweisen beschäftigt haben. Wie ist der Zusammenhang zwischen THC und Cannabidiol nun direkt zu erklären. Könnten Sie dazu ein wenig mehr schreiben?

    Ich finde Ihre Argumentation sehr nachvollziehbar und teile diese ausdrücklich.

    Vielen Dank für Ihren Beitrag zur Diskussion.

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