Die Premiere von Giacomo Puccinis Turandot am Stadttheater Bremerhaven unter der musikalischen Leitung des Generalmusikdirektors Marc Niemann bot einen gelungenen Abend voller emotionaler Tiefe und musikalischer Brillanz. Puccinis unvollendetes Werk, das sich um die rätselhafte Prinzessin Turandot dreht, die ihre Verehrer mit tödlichen Rätseln konfrontiert, wurde in dieser Inszenierung auf eine besondere Weise interpretiert, die dem Stoff neue Aspekte abgewinnt, aber nicht ohne Kritik bleibt.
herausragende musikalische Leistung im Stadttheater Bremerhaven
Musikalisch glänzte der Abend vor allem durch die überragenden Solisten. Agnes Selma Weiland verlieh der Figur der eiskalten Turandot eine stimmliche Wucht und Präsenz, die die Härte und emotionale Zerrissenheit der Prinzessin eindrucksvoll zur Geltung brachte. Thomas Paul als Calàf, der sich mutig den tödlichen Rätseln Turandots stellt, überzeugte mit seiner kraftvollen und zugleich gefühlvollen Interpretation der berühmten Arie „Nessun dorma“, die das Publikum in Bann zog. Besonders hervorzuheben ist auch Victoria Kunze in der Rolle der Liù. Trotz einer Erkältung, die im Vorfeld für Unsicherheiten sorgen könnte, war ihre Leistung nahezu makellos. Ihre innige Darstellung der liebenden Sklavin, die für Calàf ihr Leben opfert, war berührend und voller Hingabe.
Schauspielerisch besonders hervor stach das Trio Ping, Pang und Pong, gespielt von Marcin Hutek, Andrew Irwin und Ido Beit Halachmi. Mit ihrem bitteren Humor und den burlesken Einlagen sorgten sie für die unterhaltsamsten Momente des Abends. Ihre Darstellung brachte Leichtigkeit in die tragische Geschichte, wobei ihre schauspielerische Komik manchmal über die Ernsthaftigkeit der Handlung hinauszugehen schien.
stark reduzierte, fast kafkaeske Bühnenästhetik im eigentlich opulenten Turandot
Die Inszenierung von Philipp Westerbarkei setzte auf eine stark reduzierte, fast kafkaeske Bühnenästhetik. Der Großteil des Geschehens spielte sich vor einem Palastfenster ab, das als einziges signifikantes Bühnenelement diente. Eine große, über die Bühne reichende Couchlandschaft fügte sich in dieses minimalistische Bild ein. Wer eine opulente Ausstattung oder visuelle Entsprechungen der exotischen Schauplätze erwartet hatte, wurde hier enttäuscht. Westerbarkeis Entscheidung, auf bewährte technische Mittel zu verzichten, gab der Aufführung zwar eine klare und puristische Struktur, mag aber für manche Zuschauer zu karg gewirkt haben. Hier hätte der Stoff des Stücks sicherlich mehr Möglichkeiten für bildliche Entfaltung geboten.
Ein weiterer Punkt, der die Inszenierung teils problematisch erscheinen ließ, war die sehr freie Interpretation der Charaktere und ihrer Beziehungen zueinander. Besonders die Sexualisierung des Stücks, vor allem durch das Trio Ping, Pang und Pong, schien in manchen Momenten über den Inhalt des Librettos hinauszugehen und wirkte aufgesetzt. Auch die Darstellung Turandots als drogensüchtig schien eine Entscheidung zu sein, die mehr der Transkription in eine zeitlich unbestimmte Gegenwart geschuldet war als einer inhaltlichen Logik. Die ursprüngliche Motivation der Prinzessin, ihre Feindseligkeit und die Rachegelüste gegenüber den Männern, die sie zu ihrem grausamen Spiel mit dem Leben ihrer Verehrer treiben, wurden dadurch unnötig verkompliziert und in eine Richtung gelenkt, die nicht vollständig überzeugte.
Im Foyer des Theaters machte das Gerücht die Runde, dass Generalmusikdirektor Niemann Turandot unbedingt als sein letztes großes Stück inszenieren wollte, bevor er das Bremerhavener Theater verlässt. Dies ist trotz aller Kritik sicherlich eine sehr gute Wahl gewesen, die aus musikalischer Sicht als ein überragender Höhepunkt seiner Zeit am Theater gelten kann.
ein gelungener Abend am Stadttheater Bremerhaven
Insgesamt war die Premiere von Turandot in Bremerhaven dennoch ein gelungener Abend. Die herausragenden musikalischen Leistungen, besonders die der Solisten, und die starke orchestrale Untermalung durch das Bremerhavener Orchester unter Marc Niemanns präziser und einfühlsamer Leitung, machten den Besuch zu einem lohnenswerten Erlebnis. Die Inszenierung jedoch wird sicherlich polarisieren – einerseits durch ihre Reduktion und andererseits durch die freie Interpretation der Figuren. Die Frage bleibt, ob diese Entscheidungen dem Werk und der Geschichte wirklich gerecht werden oder ob hier an einigen Stellen zu viel gewollt wurde.