21. November 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog
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Artikel 63 Grundgesetz – Bundeskanzlerwahl

Der Koalitionsvertrag ist ausgehandelt, wir Mitglieder der SPD haben nun die Aufgabe in einem Mitgliederentscheid zu bestimmen ob die SPD in eine Große Koalition eintritt. Soweit so klar. Oft heißt es nun, wenn der Koalitionsvertrag nicht zustande kommt, dann gibt es Neuwahlen. Dies ist nicht ganz so klar und auch kein Automatismus. Das Warum erkläre ich im folgenden Beitrag:

Die aktuelle Situation

Nach Artikel 69 Absatz 2 des Grundgesetzes endete mit dem ersten Zusammentritt des neuen Bundestages, am 24. Oktober 2017, die Amtszeit der Bundeskanzlerin Dr. Angela Merkel (CDU). In Absatz 3 des gleichen Artikels ist festgelegt, dass auf Ersuchen des Bundespräsidenten der Bundeskanzler verpflichtet ist, die Geschäfte bis zur Ernennung seines Nachfolgers weiterzuführen.

Der oder die geschäftsführende Bundeskanzler(-in) behält ihre Kompetenzen. Allerdings kann ihr oder ihm der Bundestag nicht das Misstrauen aussprechen, wie es nach Artikel 67 des Grundgesetzes möglich wäre. Auch ist die Vertrauensfrage für eine oder einen geschäftsführende/n Bundeskanzler(-in) nicht möglich.

Es gibt keine ausdrückliche Frist im Grundgesetz nach der die Wahl eines Bundeskanzlers im Anschluss an eine Bundestagswahl festgelegt wäre. In den 18 Wahlperioden, die es in der Bundesrepublik Deutschlands bisher gab, lagen zwischen Tag der Wahl und der Wahl des Bundeskanzlers 23 und 86 Tage.

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Das Verfahren der Bundeskanzlerwahl

Nun wird es interessant. Für die nächsten Wochen könnte der Artikel 63 des Grundgesetzes richtig wichtig werden. In diesem Artikel ist festgelegt wie der oder die deutsche Bundeskanzler(-in) gewählt wird.

Diese Wahl kann aus bis zu drei Wahlgängen bestehen. Es gibt dazu im Bundestag keine Aussprache, auch Debatte genannt, gewählt. Die Wahlgänge finden mit “verdeckten Stimmzetteln” statt. Dies ist in § 4 in Verbindung mit § 49 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages festgelegt.

Der erste Wahlgang

Der deutsche Bundespräsident, aktuell Frank-Walter Steinmeier, ist gemäß Artikel 63 Absatz 1 des Grundgesetzes verpflichtet dem Bundestag einen Wahlvorschlag zu unterbreiten. Besonders interessant ist es und stellt die verfassungsmäßige Stellung des Bundespräsidenten hervor, dass er dabei nicht an den Vorschlag oder Empfehlung der Mehrheitsfraktionen oder anderer gebunden ist.

Die Entscheidung unterliegt als Leitentscheidung dem pflichtgemäßen Ermessen des Bundespräsidenten. Dies liegt an der mangelnden verfassungsrechtlich Regelung zu diesem Punkt. Natürlich sollte er einen Kanzlerkandidaten benennen, der mehrheitsfähig ist, da die Erfolgschancen eines Kandidaten entscheidend von seiner Mehrheitsfähigkeit im Bundestag abhängen. Aber er ist nicht verpflichtet einen bestimmten Kanzlerkandidaten zu benennen und diese Entscheidung ist auch nicht an politische Vorgaben geknüpft.

Frist und Wählbarkeit

Es gibt keine feste Frist für diesen Vorschlag. Ganz allgemein ist jeder zum Bundeskanzler wählbar der das aktive und passive Wahlrecht zum Deutschen Bundestag besitzt. Dies ist in den §§ 12 ff. Bundeswahlgesetz bestimmt. Auch muss man, was oft falsch verstanden wird, nicht Mitglied des Bundestages sein.

Kanzlermehrheit

Im ersten Wahlgang zur Wahl des Bundeskanzlers die Mehrheit der Mitglieder des Bundestages nach Artikel 121 des Grundgesetzes notwendig. In der aktuellen 19. Wahlperiode wären dies 355 Stimmen.

Erreicht der oder die Kandidat(-in) diese Mehrheit, dann ist der Gewählte unverzüglich vom Bundespräsidenten zu ernennen. In der Geschichte der Bundesrepublik konnte jeder Bundeskanzler die erforderliche Kanzlermehrheit erreichen. Teilweise war das Ergebnis jedoch sehr knapp und wir könnten in diesem Jahr erstmals eine Situation haben, wo dies nicht der Fall ist.

Verpflichtung des Bundespräsidenten

Kommen wir zu einer weiteren Besonderheit. Für den Fall, dass der Bundespräsident seiner Verpflichtung einen Kanzlerkandidaten zu benennen nicht nachkommt, wird von den meisten Rechtswissenschaftler angenommen wäre es möglich ein Organstreitverfahren oder eine Präsidentenanklage vor dem Bundesverfassungsgericht anzustreben.

Im Schrifttum zum Staatsverfassungsrecht findet man häufig die Auffassung, dass der Bundespräsident dann sein Vorschlagsrecht verwirkt hat und automatisch der zweite Wahlgang gemäß Artikel 63 Absatz 3 des Grundgesetzes in Kraft tritt.

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Die zweite Wahlphase

Dies gilt auch für den Fall, dass die erforderliche Mehrheit im ersten Wahlgang nicht erreicht wird. Ab diesem Zeitpunkt hat der Bundespräsident keinen Einfluss mehr auf den weiteren Wahlverlauf. Er kann nur noch im Rahmen der Ernennung des Gewählten eingreifen.

Für den zweiten Wahlgang können Vorschläge aus der Mitte des Bundestages eingereicht werden. Dazu ist gemäß § 4 Satz 2 der Geschäftsordnung des Deutschen Bundestages das Votum von einem Viertel der Mitglieder des Bundestages notwendig.

Die zweite Phase zur Wahl eines Bundeskanzlers muss innerhalb von 14 Tagen nach dem Scheitern des ersten Wahlganges statt finden. Anders als im ersten Wahlgang sind beliebig viele Wahlgänge möglich. Aber auch hier ist gewählt der (zuerst) die erforderliche Kanzlermehrheit erreicht.

Möglich ist es jedoch auch, dass überhaupt keine Wahlvorschläge aus den Reihen des Bundestages gemacht werden und die Frist von 14 Tagen ungenutzt verstreicht.

Der kritische dritte Wahlgang

Verstreicht die Frist oder es findet sich keine absolute Mehrheit, dann kommt es zum entscheidenden dritten Wahlgang. Diese Phase schließt sich unmittelbar an die zweite Wahlphase an. Unterbrochen nur von den Einladungs- und Beratungsfristen des Bundestages.

Im dritten Wahlgang ist gewählt, wer die relative Mehrheit der Stimmen erhält. Also mehr Stimmen erhält als jeder der einzelne der Wahlvorschläge oder Kandidaten. Problematisch ist es, wenn nur ein Bewerber zur Wahl steht. Denn dann ist die Bestimmung dieser relativen Mehrheit verfassungsrechtlich nicht eindeutig geregelt.

Erreicht einer der Kandidaten die Kanzlermehrheit muss ihn der Bundespräsident innerhalb von sieben Tagen zum Bundeskanzler ernennen. An dieser Stelle ist es möglich bei Stimmengleichheit erneut zu wählen. Denn der dritte Wahlgang endet nur, wenn ein Kandidat die relative Mehrheit erhält oder kein Kandidat gewählt/ gefunden wird.

Jetzt wird es knifflig

Kommt es nun zu dem Fall, dass der Gewählte nur die relative Mehrheit erreicht, hat der Bundespräsident ein auf sieben Tage befristetes Wahlrecht zwischen der Ernennung des Gewählten als Minderheitskanzler oder der Auflösung des Bundestages.

Diese Regelung des Artikel 63 Absatz 4 Satz 3 des Grundgesetzes hat noch eine weitere Besonderheit. Denn lässt der Bundespräsident diese Frist verstreichen, verwirkt er wieder sein Recht zur Auflösung des Bundestages. Dann ist er zur Ernennung des Minderheitskanzlers verpflichtet.

Minderheitskanzler(-in)

Die verfassungsrechtlichen Regelungen des Grundgesetzes kennen keinen Unterschied zwischen Minderheitskanzler und einem mit Kanzlermehrheit gewähltem Kanzler. Er oder sie hat dieselben Rechte und Pflichten.

Entscheidet sich der Bundespräsident für eine Auflösung des deutschen Bundestages, so leitet dieser dem Bundestagspräsidenten eine Auflösungsanordnung zu. In Folge dessen, müssen dann innerhalb von 60 Tagen nach der Auflösung des Bundestages Neuwahlen stattfinden. Diese Frist findet sich in Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 des Grundgesetzes.

So ich habe jetzt knapp 8.000 Zeichen gebraucht um bis zum Punkt Neuwahlen zu kommen. Ihr seht es ist gar kein Automatismus bis hin zur Neuwahl.

Minderheitsregierung?

Eine Minderheitsregierung scheint die bisherige Amtsinhaberin und geschäftsführende Bundeskanzlerin nicht mehr auszuschließen. In einem Halbsatz in einem ZDF Interview revidiert sie ihren bisherigen Standpunkt nicht für eine Wahl nach Artikel 63 zur Verfügung zu stehen: http://www.huffingtonpost.de/entry/mit-einem-halbsatz-im-zdf-interview-torpediert-merkel-die-groko_de_5a808b90e4b08dfc93054917

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Off-Topic

Nach einer Textanalyse ist dieser Text zu 41% subjektiv, die wichtigsten Worte sind: Bundeskanzler, Bundespräsident, Koalitionsvertrag, Wahl, Große Koalition, Grundgesetz

Ein Computer würde diesen Text der Kategorie Politik zu ordnen.

weitere Artikel zum Thema auf Timo’s Blog:

https://www.hoerske.de/blog/das-zaehe-bemuehen-um-eine-neue-bundesregierung/

https://www.hoerske.de/blog/neuwahlen-oder-warum-die-kanzlerin-keine-vertrauensfrage-stellen-kann/

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