22. November 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog
Störerhaftung

Die Entscheidung ist gefallen: Es gibt kein NPD Verbot

Die Richter am Verfassungsgericht in Karlsruhe haben bekannt gegeben, dass die NPD nicht verboten wird. Aus Sicht der Kammer kann die NPD die Demokratie nicht ernsthaft gefährden, auch wenn die Partei verfassungsfeindlich gesinnt ist.

Der Antrag des Bundesrates auf ein NPD Verbot wurde vom höhsten deutschen Gericht abgelehnt.Am 3. Dezember 2013 hat der Bundesrat als Antragsteller gemäß Art. 21 Abs. 2, Art. 93 Abs. 1 Nr. 5 GG ((Grundgesetz)), § 13 Nr. 2, §§ 43 ff. BVerfGG ((Bundesverfassungsgerichtsgesetz)) beantragt, die Verfassungswidrigkeit der NPD einschließlich ihrer Teilorganisationen Junge Nationaldemokraten, Ring Nationaler Frauen und Kommunalpolitische Vereinigung festzustellen und diese aufzulösen.Ich bin der Ansicht, dass die Entscheidung des Gerichtes richtig ist, möchte aber nicht auf jeden einzelnen Punkt des Urteils eingehen. Das würde den Rahmen eines vernünftigen Artikels sprengen. Das ausführliche Urteil kann hier nachgelesen werden.

Was spricht nun für ein NPD Verbot, was dagegen? Hier sind die Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 mit einigen Verständnishinweisen von mir.

Leitsätze zum Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 – 2BvB 1/13- (NPD Verbot)

Leitsätze

1.

Das Parteiverbot nach Art. 21 Abs. 2 GG stellt die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsfeindlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen.

Kommentar

Das Gericht benennt in seinem ersten Leitsatz die grundsätzliche Problematik eines Parteiverbotes im Allgemeinen.

Auf zwei wesentliche Punkte sei an dieser Stelle hingewiesen, weil es oft in der Diskussion falsch verstanden und bewertet wird. Der Art. 21 Abs. 2 GG stellt eine Gefahrenabwehr durch verfassungsfeindliche Parteien dar. Im Gegensatz zum Strafrechtgesetzbuch ist der Versuch oder die Durchführung einer verfassungsfeindlichen oder demogratiegefährdender Tat nicht Vorrausetzung. Das abstrakte oder konkrete Risiko einer Gefährdung der freiheitlich, demokratischen Rechtsordnung ist ausreichend.

Es kommt dabei nicht nur auf eine verfassungsfeindliche Gesinnung an, sondern eben auch auf die “verbandsmäßige Wirkungsmöglichkeit”, d.h.: die tatsächliche Fähigkeit einer Partei die gesteckten Ziele, zu mindest theoretisch, erreichen zu können.

2.

Das Gebot der Staatsfreiheit politischer Parteien und der Grundsatz des fairen Verfahrens sind für die Durchführung des Verbotsverfahrens unabdingbar.

a) Die Tätigkeit von V-Leuten und Verdeckten Ermittlern auf den Führungsebenen einer Partei während eines gegen diese laufenden Verbotsverfahrens ist mit dem Gebot strikter Staatsfreiheit nicht vereinbar.

b) Gleiches gilt, soweit die Begründung eines Verbotsantrages auf Beweismaterialien gestützt wird, deren Entstehung zumindest teilweise auf das Wirken von V-Leuten oder Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist.

c) Der Grundsatz des fairen Verfahrens gebietet, dass die Beobachtung einer Partei während eines laufenden Verbotsverfahrens durch den Verfassungsschutz nicht dem Ausspähen ihrer Prozessstrategie dient und dass im Rahmen der Beobachtung erlangte Informationen über die Prozessstrategie im Verfahren nicht zulasten der Partei verwendet werden.

d) Ein zur Verfahrenseinstellung führendes Hindernis kommt lediglich als ultima ratio möglicher Rechtsfolgen von Verfassungsverstößen in Betracht. Zur Feststellung des Vorliegens eines unbehebbaren Verfahrenshindernisses bedarf es einer Abwägung zwischen den rechtsstaatlichen Verfahrensanforderungen einerseits und dem Präventionszweck dieses Verfahrens andererseits.

Die V – Leute Problematik kann das Gericht natürlich nicht unkommentiert lassen.

Im Wesentlichen sagt das Bundesverfassungsgericht, dass Parteien dem Gebot der Staatsfreiheit unterstehen. Also in ihrer politischen Willensbildung frei und unbeeinflusst von staatlicher Anordnung oder Gewalt sein sollen.

Aus diesem Grunde und um ein faires Verfahren zu ermöglichen dürfen zum Zeitpunkt des Verfahrens keine V – Leute in den Führungsebenen der NPD sein, Beweise nicht von ihnen beschafft worden sein oder Kenntnisse über Prozessstrategien ermittelt werden.

Das Gericht deutet in seinem Leitsatz aber auch an, dass es eine Abwegung zwischen dem präventiven Charakter des betreffenden Gesetzen und rechtstaatlicher Verfahrensanforderungen geben muss.

Zusammenfassung

Die NPD ist verfassungsfeindlich. Sie verstößt gegen die Menschenwürde und ist antidemokratisch, sie will die freiheitlich-demokratische Grundordnung abschaffen, und ihre Ideologie ist wesensverwandt mit der NSDAP. Trotzdem wird die NPD nicht verboten. Denn die rechtsextreme Partei ist schlicht zu unbedeutend, um etwas zu bewegen.

Standpunkt

Der Gerichtspräsident Voßkuhle sagte: “Es wäre verfehlt, Wert und Bedeutung des Verfahrens allein vom konkreten Ergebnis her zu beurteilen. Sein Ertrag reicht deutlich weiter”. Meiner Ansicht nach greift er mit dieser Aussage einen sehr wichtigen Punkt auf, denn das Parteiverbot ist kein Gesinnungs- oder Weltanschauungsverbot. Denn kein Verbot allein kann Ausländerfeindlichkeit und Rassismus beseitigen. Den gesamtgesellschaftliche Diskurs mit dem Rechtsextremismus kann uns niemand abnehmen.

Eine klare Haltung gegen rechte Hetze ist eine Aufgabe für uns alle: Für die Politik und für die Zivilgesellschaft sollte die Entscheidung ein Ansporn sein, unsere Demokratie und unsere Grundrechte gemeinsam zu verteidigen.

In Ihrem Urteil hat die Kammer auch auf andere Reaktionsmöglichkeiten des Rechtstaates hingewiesen. So bleiben etwa der Entzug der Parteienfinanzierung im Rahmen der gesetz- und verfassungsgebenden Gewalt. Bedrohungen und Einschüchterungen können rechtzeitig und umfassend mit den präventiven Möglichkeiten der Polizei und dem repressiven Strafrecht begegnet werden.

Weiterhin ist es den Richtern des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgericht mit ihrem Urteil gelungen die vorgesehenden Vorraussetzungen für ein Parteiverbot zeitgemäß anzupassen. Es bestehen nun keine Zweifel mehr, “ob das im Grundgesetz vorgesehene Parteiverbotsverfahren mit den Vorgaben der Europäischen Menschenrechtskonvention vereinbar ist”. Das ist im Hinblick auf mögliche weitere Parteiverbote wichtig.

Denn sollte die Partei in der Zukunft doch wieder erstarken, bleibt es der Politik offen, erneut ein Parteiverbot zu beantragen.

Unsere Verfassung, unser Grundgesetz enthält eindeutige Regeln für das Verbot von Parteien, die das Verfassungsgericht deutlich hervorgehoben hat. Es gibt aber ebenso Regeln für den offenen und toleranten Umgang miteinander. Die eindeutigste Antwort an Alle findet sich schon in Artikel 1 des Grundgesetzes: “Die Würde des Menschen ist unantastbar”.

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