Wir leben in einer Zeit mit sehr “unkonventionellen” um nicht zu sagen unüblichen Maßnahmen der Notenbanken, allen voran der Europäischen Zentralbank (EZB). Trotz Nullzinsen, negative Zinsen auf die Überschussreserven der Banken und Verlängerungen der Notenbankbilanzen – steckt die deutsche Wirtschaft weiterhin in der Liquiditätsfalle und die Differenz zwischen Produktionstrend der Wirtschaft und realem Bruttoinlandsprodukt (BIP) wird nicht kleiner. Die Instrumente der EZB sind ausgeschöpft und das Wirtschaftswachstum bleibt trotz dem 1,6 Prozent ((https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/Inlandsprodukt/Inlandsprodukt.html)) im letzten Jahr mager. Angesichts der positiven Effekte der Euroabwertung, Einbruch der Rohstoffpreise und der niedrigen Zinsen sollten höhere Wachstumsraten zu erwarten sein. Wir sind auf dem direkten Weg in die nächste globale Rezession.
Der Output eines Exportlandes wie Deutschland ((https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/InputOutputRechnung/InputOutputRechnung.html)) sollte bei so günstigen Rahmenbedingungen nicht stagnieren. Das durchschnittliche Wachstumspotenzial ist mittlerweile auf fast ein Prozent jährlich geschrumpft. Grund ist aus meiner Sicht ein Mangel an Investitionen, trotz der billigsten Kredite seit Beginn der Währungsunion, mit der Folge das der Kapitalstock nicht mehr wächst und die Produktivitätsentwicklung gegen Null tendiert. Beide Faktoren sind aber für die Sicherheit den nächste Generation an Kindern und Rentner von enormer Wichtigkeit.
Das aktuell wenigstens noch minimale Wirtschaftswachstum beruht auf einer Steigerung der Arbeitsplätze. Es gibt mehr Arbeit, bei weniger wirtschaftlicher Effektivität. Wenn man sich das Potenzialwachstum auf der Basis der jüngsten Vergangenheit anschaut und in den Vergleich mit einem längeren Zeitraum stellt, dann liegt der Trendwert bei rund 1,9 Prozent pro Jahr. Das reale BIP liegt bei diesem Wert um mehr als 13 Prozent unter seinem Potenzial. Dass sich die europäische Arbeitslosenquote in einer ähnlichen Größenordnung befindet, zeigt, dass es sich nicht um eine irgendwie aus der Luft gegriffene Zahl handelt.
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Irgendwer muss dringend Investionen tätigen und Schulden machen
Ich frage mich warum die Nachfrage nach Krediten und damit die Konjunktur trotz der idealen Voraussetzungen nicht stärker wird sondern seit Monaten stagniert. Für mich ist die Antwort ganz klar: Die Schulden. Sie werden als zu hoch empfunden z.T. als existenzbedrohend. Die privaten Haushalte und Unternehmen sind durch Überschuldung in der vorangegangenen Boomphase nicht mehr sicher bilanziert und schrecken so vor Umschuldungen und Neuinvestitionen zu den günstigen Marktbedingungen zurück. Eine solche beginnende Rezession lässt sich nicht politisch von oben herab beenden, denn die Akteure unseres Wirtschaftssystems verfolgen eine andere Strategie ((https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesamtwirtschaftUmwelt/VGR/Vermoegensrechnung/Vermoegensrechnung.html)).
Es fehlt also an Akteuren aus der Privat- und Unternehmenswirtschaft. Wenn die Haushalte und Unternehmen des privaten Sektors weder durch eine expansive Geldpolitik noch durch einen markanten Kaufkraftgewinn durch billige Importe aus der Reserve zu locken sind, bleibt nur ein Ausweg aus der Liquiditätsfalle: Der Staat muss die Nachfragelücke ersetzen.
Japan macht es vor
Japan macht vor wie es gehen kann. Durch staatliche Investitionen wurde dort das anfänglich negative Wirtschaftswachstum auf einen realen BIP von über ein Prozent gebracht. Die gewaltige Zunahme der staatlichen Schulden hat übrigens weder zu einem Anstieg der Inflation noch zu einem Anstieg der Zinsen auf die staatlichen Schulden geführt. Japan ist in diesen Tagen nach der Schweiz das zweite Land, wo die Renditen der zehnjährigen Staatsanleihen in den negativen Bereich abgerutscht sind. Trotz der hohen Schulden hat die Bonität nicht gelitten.
Von den europäischen Nachbarn hat kein Land einen so großen Spielraum wie Deutschland in der Fiskal- und Geldpolitik. Die Renditen zehnjähriger Bundesanleihen betragen im Augenblick gerade mal 0,20 Prozent und im gesamtstaatlichen Haushalt werden trotz der Belastungen durch die Flüchtlinge Überschüsse erzielt. In absoluten Zahlen exportiert kein Land (mit der Ausnahme von China) netto so viel Kapital.
Aus meiner Sicht wäre es völlig risikolos, die staatlichen Ausgaben um beispielsweise zwei Prozent zu steigern, also etwa um 60 Milliarden Euro. Um aus der Liquiditätsfalle herauszukommen, muss die Endnachfrage kräftig gesteigert werden und die Geldpolitik der EZB braucht dringend eine finanzpolitische Begleitung. Denn zusätzliche staatliche Schulden sind weniger gefährlich als eine dauerhaft hohe Arbeitslosigkeit und eine stagnierende Wirtschaft.
Kommentar
Ein groß angelegtes Investitionsprogramm in öffentlicher Infrastruktur, die seit Jahren unter dem Spardiktat der Bundesfinanzministers leidet, würde unserem Ziel der Vollbeschäftigung und dem Wirtschaftswachstum mehr dienen als eine schwarze Null, auch für die zukünftigen Generationen. Die Altlasten durch günstigere Zinsen abzulösen und Investitionen zu fördern wäre aus meiner Sicht der beste Schutz vor der nächsten Depression.
Irgendjemand muss Schulden machen – wenn es die Privaten nicht wollen oder können, bleibt nur der Staat. Dieser Schritt braucht Mut um die Chance zu ergreifen die Geldpolitik in Deutschland und Europa zu ändern.
Ein sehr informativer Artikel. Da kann man in jedem Fall noch einiges dazulernen. Vielen Dank dafür.