21. Dezember 2024 Timo Hörske - persönlicher Blog
Beihilfe zur Selbsttötung

Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung

Am gestrigen Freitag haben die Abgeordneten des 18. Deutschen Bundestages eine schwierige Aufgabe vor sich gehabt. Es ging in 2. und 3. Lesung um mehrere Entwürfe eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förerung der Selbsttötung.

Unter diesem sperrigen Titel ging es also eigentlich um den Tatbestand der Beihilfe zur Selbsttötung.

Ich möchte heute einmal versuchen den meisten Argumente zusammen zu fassen und mir ein eigenes Urteil zu bilden. Natürlich sind Themen wie Tod, Sterben, aber eben auch Selbstbestimmung in diesem komplexen Zusammenhang sehr stark abhängig von  den eigenen Werten, Vorstellungen und persönlichen Erfahrungen.

Worum geht es?

Was ist eigentlich assistierter Suizid, Beihilfe zur Selbsttötung oder auch passive Sterbehilfe? Die Begriffe fielen in der vorangegangenen Diskussion immer wieder, aber auch Hinweise auf Selbstbestimmung und persönliche Freiheit.

Beihilfe zur SelbsttötungUnter einem assistierten Suizid ist die gesetzlich bisher nicht strafrechtlich verfolgte Beihilfe zur Selbsttötung gemeint. Die bedeutet der oder die Sterbewillige nimmt eigenhändig und in vollem eigenen Bewusstsein z.B.: ein Medikament zur Selbsttötung ein. Diese Substanz wird ihm von einer anderen drittn Person, z.B.: einem Angehörigen, nahestehenden Menschen, einem Arzt oder Sterbehelfer zu ausschließlich diesem Zweck zur Verfügung gestellt. ((https://www.stiftung-patientenschutz.de/themen/assistierter-suizid))

Die Beihilfe zur Selbsttötung ist in Deutschland vorrangig nicht strafbewehrt, denn eine strafbare Beihilfe zu einer Tat setzt nach dem Grundsatz der Akzessorietät ((Für das Strafrecht bestimmt das Prinzip der (limitierten) Akzessorietät, dass die Strafbarkeit eines Tatteilnehmers von der Strafbarkeit der Haupttat abhängt. Diese Abhängigkeit ist jedoch limitiert, es kommt also nicht darauf an, ob dem Haupttäter ein Schuldvorwurf gemacht wird. Es genügt, dass die Haupttat einen Tatbestand darstellt und rechtswidrig ist. Dies kommt in § 28, § 29 Strafgesetzbuch zum Ausdruck. Im Umkehrschluß kann eine Tatbeteiligung, wenn die Haupttat nicht strafbar ist, auch nicht strafbar sein. )) einen vorsätzliche und rechtswidrige Haupttatbestand voraus. Die Selbsttötung richtet sich in der Regel nicht unmittelbar gegen eine dritte Person und kann so kein Tötungsdelikt im Wortlaut der §§ 211 ff. StGB sein. Folglich ist auch die Unterstützung hierzu keine strafbare Tat.

Im Allgemeinen macht die Rechtsprechung von dieser Straflosigkeit aus Folgeschlüssen allerdings z.T. Ausnahmen. So nimmt der Bundesgerichtshof (BGH) die Ansicht ein, nach der ein Wechsel der Tatherrschaft zu einer Strafbarkeit durch Unterlassen des Helfers führt, wenn diesem eine Garantenpflicht ((Granatenplicht ist eine Obliegenheit die Pflicht, dafür einzustehen, dass ein bestimmter tatbestandlicher Erfolg nicht eintritt z.B.: Aufsichtspflichten u.ä.))  für die Rechtsgüter des Suizidenten obliegt. Auch kann eine Strafbarkeit wegen unterlassene Hilfeleistung in Betracht gezogen werden, da die Rechtsprechung den Suizidversuch generell als „Unglücksfall“ im Wortlaut von § 323c StGB ((http://dejure.org/gesetze/StGB/323c.html)) interpretiert . In Fällen in denen für den Suizid Medikamente zur Verfügung bereitgestellt werden, kann auch unter anderem ein Verstoß gegen das Arzneimittelgesetz in Betracht gezogen werden. Die ethisch-moralische Beurteilung des Verhaltens kann dabei von der strafrechtlichen Sicht deutlich zu unterschieden und getrennt betrachten werden müssen.

Eine Selbsttötung liegt aber aus den obengenannten Gründen nur dann vor, wenn der Suizident die letztendlich notwendigen letzten Schritte noch selbst herbeiführen kann, also die sogenannte Tatherrschaft über den Suizid hat. Sofern die dritte andere Person die letzte Handlung als todbringenden Schritt durchführt, ist kein Suizid mehr gegeben. In Deutschland kann dann eine Strafbarkeit z. B. wegen § 216 StGB ((http://dejure.org/gesetze/StGB/216.html)) vorliegen. Allgemein wird dann auch von der, in Deutschland eben nicht erlaubten und auch in der Debatte am Freitag nicht behandeleten, aktiven Sterbehilfe gesprochen.

Diese rechtlich gesehen sehr vielschichtige Auslegung der bisherigen Gesetzeslage war u.a. ein Grund warum ein neues Gesetz auf den Weg gebracht werden sollte, mit dem Ziel Rechtssicherheit für Ärzte, Palliativpfleger etc. zu finden.

Motivationen für die Gesetzesentwürfe

Über die wesentlichen Motive für die verschiedenen Gesetzesentwürfe, die diskutiert worden sind, herrscht über die Fraktionen Einigkeit. U.a. möchte man Rechtssicherheiten schaffen, fragwürdige “Sterbehilfevereine” ((Vereine sind nach erfolgter Genehmigung nur zu verbieten, wenn diese sich in strafrechtlicher Weise schuldig gemacht haben. Da bisher kein Straftatbestand bei Beihilfe zur Selbsttötung vorhanden war, wäre ein Verbot dubioser Vereine schwierig gewesen.)) leichter verbieten können, sowie klare Vorraussetzungen für die passive Sterbehilfe finden.

Die wesentlichen Unterschiede der Gesetzesentwürfe

Ich mochte im folgenden die Argumente der verschiedenen Gesetzesentwürfe beleuchten, möchte aber gleichzeitig darauf hinweisen, dass diese nicht vollständig sein können.

  1. Entwurf eines Gesetzes zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung Drucksache 18/5373 ((http://dip.bundestag.de/btd/18/053/1805373.pdf)) von Michael Brand, Kerstin Griese, Kathrin Vogler, Dr. Harald Terpe und weiteren Abgeordneten: Der Gesetzentwurf will geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid von Sterbehilfeorganisationen und Einzelpersonen, die auf Wiederholung angelegt ist, strafrechtlich verbieten.
  2. Entwurf eines Gesetzes zur Regelung der ärztlich begleiteten Lebensbeendigung (Suizidhilfegesetz) Drucksache 18/5374 ((http://dip.bundestag.de/btd/18/053/1805374.pdf)) von Peter Hintze, Dr. Carola Reimann, Dr. Karl Lauterbach, Burkhard Lischka und weiteren Abgeordneten: Der Entwurf will Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte schaffen, die Hilfe bei der Selbsttötung leisten.
  3. Entwurf eines Gesetzes über die Straffreiheit der Hilfe zur Selbsttötung Drucksache 18/5375 ((http://dip.bundestag.de/btd/18/053/1805375.pdf)) von Renate Künast, Dr. Petra Sitte, Kai Gehring, Luise Amtsberg und weiteren Abgeordneten: Der Entwurf will Hilfe bei der Selbsttötung explizit erlauben, und zwar auch für organisierte und nicht kommerzielle Sterbehilfe sowie kommerzielle Sterbehilfe unter Strafe stellen.
  4. Entwurf eines Gesetzes über die Strafbarkeit der Teilnahme an der Selbsttötung Drucksache 18/5376 ((http://dip.bundestag.de/btd/18/053/1805376.pdf)) Dr. Patrick Sensburg, Thomas Dörflinger, Peter Beyer, Hubert Hüppe und weiteren Abgeordneten: Der Entwurf will Hilfe beim Suizid per Strafgesetzbuch untersagen.
  • sollte keiner der Entwürfe die Mehrheit des Bundestages erhalten gab es des weiteren noch einen Antrag den Satus Quo zu erhalten ((Keine neuen Straftatbestände bei Sterbehilfe Drucksache 18/6546 http://dip.bundestag.de/btd/18/065/1806546.pdf von Katja Keul, Dr. Sabine Sütterlin-Waack, Brigitte Zypries, Matthias W. Birkwald und weiterer Abgeordneten ))

Die ausführliche Argumentationen kann man sich im Debattenmitschnitt des Bundestages anschauen:

Das besondere an der Debatte war zum einen, dass die Fraktionsdisziplin für diese Debatte und die Gesetzesentwürfe aufgehoben worden sind und es überfraktionelle Anträge gab. Die Gründe hierfür liegen in der Sache des Themen die diese Diskussion begleiten, da hier nur die persönliche Überzeugung bzw. das einzelne Gewissen des Abgeordneten überwiegen sollte.

Nach einen langen und intensiven Debatte hat der 1. Entwurf eine Mehrheit erringen können.

Kommentare und Kritik

Die Entscheidung hat medial und auch in der Bevölkerung sehr unterschiedliche Bewertungen hervorgerufen. Das Thema ist aus meiner Sicht noch lange nicht ausdiskutiert und hat gerade erst angefangen den Weg weg von der Tabouisierung zu nehmen. Natürlich sind Begriffe wie Tod und selbstbestimmtes Sterben von kulturellen, religiösen und weltanschaulichen Sichtweisen geprägt.

Daher kann es aus meiner Sicht auch nicht Aufgabe eines säkularen Staates sein sich in diesen hochpersönlichen Lebensbereiches einzumischen. Diese Sichtweise wurde unter anderem auch von der Gruppe um Brigitte Zypries ((http://www.brigitte-zypries.de/index.php?nr=29543&menu=1)) vertreten.

Im Grundgesetz wird schon in Artikel 1 unser Grundrecht auf unsere Würde festgeschrieben:

Artikel 1 ((https://www.bundestag.de/bundestag/aufgaben/rechtsgrundlagen/grundgesetz/gg_01/245122))

(1) Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.

(2) Das Deutsche Volk bekennt sich darum zu unverletzlichen und unveräußerlichen Menschenrechten als Grundlage jeder menschlichen Gemeinschaft, des Friedens und der Gerechtigkeit in der Welt.

(3) Die nachfolgenden Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht.

Für mich gehört es zur Würde des Einzelnen über sein Leben selbst und alleinig ohne Druck und Einschränkungen zu bestimmen. So wie es dazugehört über sein Leben zu bestimmen, so muss auch die Bestimmung über das Ende des eigenen Lebens bei einem Selbst verbleiben. Keine staatliche Ordnung und deren nachfolgenden Gesetze sollte diese einschränken oder gar verbieten. Durch diese Entscheidung bleibt aus meiner Sicht auch der Art. 2 unseren Grundgesetzes unberücksichtig mich frei entfalten zu dürfen, was die Wahl der Art und Weise des Endes meines Lebens Rechnung zu tragen.

Wir sind frei über Behandlungsmaßnahmen im Rahmen einer Patientenverfügung zu bestimmen, aber nicht bis zum endlichen Schluß. Die Beführworter des Gesetzes um Kerstin Griese haben in Ihrer Argumentation zwar angeführt, dass der Suizid und auch die Beihilfe dazu weiterhin straffrei bleibt führen aber mit einem neuen Straftatbestand gleichzeitig das schärfste Schwert des Staates ins Feld. Denn gerade in der Formulierung des Gesetzes steckt der eigentliche Knackpunkt, nicht etwa in der Zielsetzung oder des direkten Willens der Abgeordneten. So heißt es wörtlich:

§ 217 Geschäftsmäßige Förderung der Selbsttötung

(1) Wer in der Absicht, die Selbsttötung eines anderen zu fördern, diesem hierzu geschäftsmäßig die Gelegenheit gewährt, verschafft oder vermittelt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geld- strafe bestraft.
(2) Als Teilnehmer bleibt straffrei, wer selbst nicht geschäftsmäßig handelt und entweder Angehöriger des in Absatz 1 genannten anderen ist oder diesem nahesteht.

Als besonders störend empfinde ich die Verwendung des Wortes “geschäftsmäßig”, denn hier wird so schwammig eine Vielzahl von Personen unmittelbar mit der Strafverfolgung bedroht. Dies wird vorallem deutlich, wenn man sich die Begründung aus der Drucksache 18/5373 näher anschaut: “Entscheidend ist nicht die Orientierung an materiellem Gewinn, sondern das vorhandene Eigeninteresse an einer Fortsetzung der entsprechenden Tätigkeit.” Genau genommen können die Strafverfolgungsbehörden nun jeden Palliativmediziner der, schon in der Art seiner Unternehmung begründet, eine Begleitung bis zum Tod seiner Patienten vornimmt strafrechtlich verfolgt werden. Denn im Gesetzesentwurf sind dafür keine Ausnahmen definiert und der Straftatbestand sehr breit ausgefächert. Die Beratung, die Bereitstellung einer selbstdosierbaren Schmerzbehandlung u.a. können im Zweifelsfall als Beihilfe zur Selbsttötung verstanden werden. Da der Arzt dies naturgemäß seines Auftrages auch mit der Krankenkasse abrechnet, dies regelmäßig durchführt, macht sich fortan nach §271 StGB strafbar.

Dies kann und sollte aus meiner Sicht nicht geschehen, an welchen Arzt kann ich mich als sterbenskranker Mensch noch wenden, wenn ich selbst aus dem Leben scheiden will? Welcher Mediziner begibt sich freiwillig mit einem Fuß ins Gefängnis? Für mich ist dies nichts anderes eine Einschränkung meiner Freiheit selbst bestimmt über mein Ende zu bestimmen.

Nach dem neuen Straftatbestand darf ich nur noch meine Angehörigen oder andere nahestehenden Menschen um diese Hilfe ersuchen. Diese kommen im Zweifelsfall nicht an die benötigten Medikamente oder machen sich bei deren Beschaffung nach dem Arzneimittelgesetz strafbar.

Die bisherige Regel war vielleicht nicht perfekt und hat bestimmten dubiosen Machenschaften eine Grauzone geschaffen, die mit dem neuen Gesetz abgeschafft ist, aber sie versperrt vielen Menschen in aussichtsloser Situation zusätzlich Wege die aus meiner Sicht und 150 jähriger Erfahrung der bisherigen Gesetzgebung nicht zu einer erhöhten Suizidrate geführt haben.

Sollte für mich je der Zeitpunkt gekommen sein für mich selbst kein lebenswertes Leben mehr führen zu können, hoffe ich dann wieder selber über mein Leben bestimmen zu dürfen. Ich bin weiterhin der Meinung, dass dieses Gesetz die Gerichte in den nächsten Jahren beschäftigen wird und bin der festen Überzeugung, dass dieser Straftatbestand einen genaueren Überprüfung des Bundesverfassungsgerichts nicht standhalten kann.

2 Kommentare

  1. Ich kann mich meinem Vorredner nur anschließen: Eine wirklich gute Zusammenfassung. Bisher hatte ich die Diskussion damals gar nicht richtig wahrgenommen, bzw. zum Teil auch anders verstanden und die Probleme nicht richtig kapiert. Jetzt ist mir einiges klarer.

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